Audiovisuelle Aufzeichnungen von Schulunterricht in der DDR

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Die Aufzeichnungen der Berliner Humboldt-Universität

Der Bestand aus der Berliner Humboldt-Universität beinhaltet zahlreiche Unterrichtsstunden, in denen ausschließlich frontal unterrichtet wird. Es sind aber durchaus andere Aufzeichnungen existent, die den keineswegs mit DDR-Pädagogik assoziierten Gruppenunterricht oder das Partnerlernen dokumentieren.

Einige der Unterrichtsstunden scheinen Musterstunden gewesen zu sein, bei anderen lässt sich mitunter ein gewisser Grad an Inszenierung erkennen in Form von Wiederholungen einzelner Unterrichtsinhalte mit derselben Klasse innerhalb eines Filmdokuments, aber auch in Form von im Hintergrund zu vernehmender Regieanweisungen. Dies lässt den Schluss zu, dass es zumindest gelegentlich ein Skript des Unterrichtsverlaufs gegeben haben muss.

Dem gegenüber stehen jedoch auch Aufzeichnungen, die aufgrund großer Disziplinprobleme vorzeitig abgebrochen wurden. Interessant ist, wie die Lehrer auf solche Unsicherheiten reagieren, ob sie in der Lage sind, die Situation souverän neu zu justieren oder ob die Stunde völlig aus dem Ruder läuft. Für beide Varianten gibt es in den Aufzeichnungen Beispiele. Manche Lehrerinnen und Lehrer machen einen sehr spontanen Eindruck, in dem sie frei auf Schülerdiskussionen eingehen und diese weiterführen. Andere sind mit falschen Schülerantworten, zumindest im Kontext der Aufzeichnung, sichtlich überfordert und ignorieren diese bestenfalls, oder aber honorieren sie sogar mit "sehr gut" und gehen zum nächsten Punkt ihrer Unterrichtsvorbereitung über. Es gibt demnach kein einheitliches Verfahren für alle Aufzeichnungen. Vielmehr scheinen unterschiedliche Motive eine Rolle gespielt zu haben. Von Problemanalyse bis zu Musterstunde.

Im Humboldt-Bestand befinden sich jenseits der Unterrichtsaufzeichnung auch ein Lehrfilm, der anhand von Auszügen aus verschiedenen Unterrichtsaufzeichnungen das Problem "Einheitlichkeit und Differenzierung" in der Schule thematisiert und dabei das gleichnamige Forschungsprojekt der Humboldt-Universität aus den 1970er Jahren vorstellt. Dieser Lehrfilm gibt Einblicke in die ideologischen Vorgaben des DDR-Bildungssystems für die Lehrer und den Unterricht. Das Dilemma, das diesem Forschungsprojekt zugrunde lag, beschäftigte die Bildungspolitik und die pädagogische Forschung der DDR bis zum Ende.

Erwähnenswert sind zudem zwei weitere Aufzeichnungen, in denen der Kamerafokus fast ausschließlich auf einen Schüler und sein Unterrichtsverhalten gerichtet ist. Es wird kein Zufall sein, dass von diesem Schüler Gespräche mit der Schulpsychologin aufgezeichnet sind, in dem es um die Familienverhältnisse, seine Vorlieben in der Schule, um seine Freizeitgestaltung und seine Freunde geht. Hier wird einerseits authentisch dokumentiert, wie intensiv sich die Schule um konkrete Problemfälle kümmerte, auf der anderen Seite wird deutlich, wie schnell dabei Grenzen des Persönlichkeitsschutzes überschritten wurden. Das Schulsystem der DDR kann so in seiner ganzen Ambivalenz gezeigt werden.

Die Aufzeichnungen der Akademie der Pädagogischen Wissenschaften der DDR

Ähnlich den Aufzeichnungen der Humboldt-Universität spiegeln die Unterrichtsmitschnitte der APW eine Bandbreite verschiedener Unterrichtsstile wider: Zu sehen ist Frontalunterricht, der teilweise durch äußerst detaillierte Arbeitsanweisungen in hohem Maße durch die Lehrkraft strukturiert wird; genauso finden sich Versuche innovativer Unterrichtsgestaltung. Ein Physiklehrer lässt beispielsweise seine Schüler in Kleingruppen experimentieren. Ein Deutschlehrer wiederum animiert seine Schüler dazu, Majakowkis Gedicht "Linker Marsch" im historischen Kontext inszenatorisch umzusetzen (siehe Filmbeschreibung). Außerdem werden die Möglichkeiten fakultativer Unterrichtsfächer genutzt.

Neben Unterrichtsmitschnitten finden sich auch Aufzeichnungen von Fachkonferenzen und Auswertungen einzelner Unterrichtsstunden sowie aus Mitschnitten produzierte Lehrfilme, die einen Einblick in damalige Forschungsprogramme vermitteln. Einen besonderen Stellenwert nimmt dabei das Programm zur "Problemhaften Unterrichtsgestaltung" ein, das die Erhöhung der geistigen Aktivität der Schüler im Unterricht fördern soll. Im Rahmen dieses Programmes, das sich grundsätzlich an sämtliche Fachrichtungen richtet, ist insbesondere ein hohes Engagement einer Staatsbürgerkundelehrerin zu verzeichnen, deren Unterrichtskonzeptionen in diesem Kontext mehrfach als vorbildlich bezeichnet werden.

Weitere außerunterrichtliche Aufzeichnungen stellen die so bezeichneten "Rollenspiele" dar, die möglicherweise der Schulung von Pionierfunktionären dienten.

Die Aufzeichnungen der PH Potsdam

Der Bestand der Videobänder der PH Potsdam enthält neben Unterrichtsaufzeichnungen auch einen Zusammenschnitt von Ausschnitten verschiedener Unterrichtsaufzeichnungen, die sich unter einem thematischen Oberbegriff zusammenfassen lassen und häufig von Kommentaren in didaktischer und methodischer Hinsicht begleitet werden. Dabei handelt es sich überwiegend um Aufzeichnungen aus dem Geografieunterricht.

Des Weiteren sind Mitschnitte zur "Theorie und Praxis der Sportarten" auf der Grundlage verschiedener Diplomarbeiten aus diesem Fachbereich sowie Aufzeichnungen von Theateraufführungen der Studentenbühne in diesem Bestand enthalten.

Die Aufzeichnungen der PH Dresden

Bei den Aufzeichnungen aus Dresden handelt es sich in erster Linie um Videos, die im Rahmen des Hochschulinternen Fernsehens (HIF) an der Pädagogischen Hochschule K. F. W. Wander entstanden sind. Der Entstehungszeitraum beläuft sich dabei auf die 1980er Jahre bis einschließlich 1990, am Vorabend der deutschen Wiedervereinigung. Im Gegensatz zu den Videos aus Potsdam und Berlin liegen diese Aufnahmen als VHS-Kassette vor und wurden deshalb in einem vereinfachteren Digitalisierungsverfahren erschlossen.

Das inhaltliche Spektrum beläuft sich auf sehr unterschiedliche Unterrichtsfächer bzw. Fachbereiche. Neben den klassischen Fächern wie Geschichte, Deutsch, Mathematik und Physik, werden auch spezielle Unterrichtsbeobachtungen (z. B. zum problemorientierten Unterricht) durchgeführt oder Verhaltensauffälligkeiten einzelner Schüler aufgezeichnet.

Darüber hinaus findet sich u. a. ein Videoband, das speziell für die Ausbildung von Pionierleitern/-innen erstellt wurde. Zudem werden auch bestimmte Schultypen exemplarisch vorgestellt. Pädagogische Lehrfilme zu unterschiedlichen Unterrichtsfächern, z. T. mit inhaltlichem, z. T. mit methodisch-didaktischem Fokus, geben des Weiteren einen Einblick in pädagogische Konzeptionen und Herangehensweisen.

Zu den Filmen

 

 

Impressum: Univ.-Prof. Dr. Henning Schluß, Universität Wien, Institut für Bildungswissenschaft, Sensengasse 3a, Zi. 05.10, A-1090 Wien, www.henning-schluss.de, Email:  henning.schluss@univie.ac.at